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AutorenbildPhilip Meyer

Print - Eine psychologische Betrachtung

Aktualisiert: 9. Juli 2021

Print ist nicht tot und war es auch nie. Dessen sind sich, auch heute in der digitalen Welt, Branchenexperten bewusst. Warum aber haben gedruckte Medien, egal ob im Unterhaltungs- oder Marketingbereich, eine solch magische Wirkung auf die Menschen? Ein Blick hinter die psychologischen Kulissen zeigt, wie Print es weiterhin schafft, Menschen zu überzeugen.


Quelle: Bret Kavanaugh / Unsplash


Es ist August 2019. Max (25 Jahre) packt gerade sein Gepäck für den Sommerurlaub. Der Koffer ist schon randvoll, dennoch versucht er mit aller Kraft auch noch seine fünfte Urlaubslektüre in die Tasche zu quetschen. „Warum tue ich mir das Geschleppe überhaupt an?!“ fragt er sich. „Ich habe doch sowieso alles auf meinem Kindle; naja irgendwie hat so ein richtiges Buch ja einfach was...“. Und so kommt es, dass der moderne, digital affine Max 7kg Bücher mit nach Südfrankreich in den Campingurlaub schleppt.

Und dies ist kein Einzelfall. Während digitale Medien viele Industrien grundlegend verändern, hält sich das analoge Buch als Print wacker und dominiert den vergleichsweise kleinen e-Book Markt weiterhin. 2019 liegt der Umsatz in der US- Buchbranche im Bereich Print bei 22,6 Milliarden US Dollar, der e-Book Markt dagegen, umfasste lediglich 2,04 Milliarden US Dollar.

Zur gleichen Zeit sitzt Sabine, Marketingleiterin eines mittelständischen Handelsunternehmens, an ihrem Laptop und gibt ihrem Team das Go für die neue Werbekampagne. Neben Aktivitäten im Social Media Marketing, lassen sie Kataloge drucken, um diese an ihre treuen Kunden deutschlandweit zu versenden.

Damit ist Sabine in ihrem Fachbereich nicht alleine, denn entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, spielen Werbebotschaften in Form von Print im Marketing weiterhin eine entscheidende Rolle. Egal ob Flyer, Kataloge oder Selfmailer; egal ob B2C oder B2B, Print Marketing bleibt ein fester Bestandteil nahezu jeder guten Omnichannel Strategie.

Wieso ist dem so? Print scheint weiterhin zu funktionieren!



Um die Wirkweise von Printmedien zu verstehen, muss man sich mit psychologischen Konstrukten und Kognitionen auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund lassen sich die folgenden Erfolgsfaktoren festhalten, die Print weiterhin so relevant machen.

1. Erfolgsfaktor Haptik

Bereits von Geburt an haben Menschen eine besondere Beziehung zu physischen Dingen. Zu Dingen, die sie anfassen können. Sie werden mit bestimmten Emotionen verknüpft und sind Teil unserer Entwicklung. Der Tastsinn wird in der Entwicklungspsychologie maßgeblich mit der kognitiven Entwicklung in Verbindung gebracht. Wir können damit Sachverhalte leichter „begreifen“. Außerdem setzen wir ein hohes Vertrauen in unseren Tastsinn. Während es möglich ist, sich zu „verhören“ oder „versehen“, „verfühlen“ wir uns nicht. Physische Gegenstände helfen Menschen auch heute noch, Erinnerungen und Erfahrungen festzuhalten. Deshalb fällt es vielen Personen schwer, sich von bestimmten Dingen zu trennen. Der emotionale oder ideelle Wert dieser Gegenstände, übersteigt hier häufig den objektiven, materiellen Wert. Diese Verknüpfung mit Prozessen des Gedächtnisses, gibt Printprodukten eine starke Wirkmacht.


Haptische Wahrnehmung ist ein elementarer Bestandteil des multisensorischen Erlebens von Menschen. Es gilt die Faustregel: Je mehr Sinne angesprochen werden, desto mehr Emotionen werden erzeugt. Und die Verknüpfung hier ist nicht nur rein additiv; die einzelnen Kanäle der Sinneswahrnehmung verstärken sich multiplikativ! Physische Gegenstände, die man nicht nur sehen, sondern auch fühlen (und sogar riechen) kann, haben enormes emotionales Potential. Diese Beziehung zwischen ertastbaren, physischen Produkten und der menschlichen Psyche zeigt, dass es doch gar nicht so verwunderlich ist, dass Printmedien auch in einer digitalen Welt bestehen bleiben. Denn Printprodukte haben, vor allem im Vergleich zu digitalen Produkten, diese haptischen Vorteile. Alleine durch den Fakt, dass sie angefasst werden können, entfalten sie eine Wirkung. Ein Katalog, der nicht nur durch sein ansprechendes Layout punktet, sondern zusätzlich schwer in der Hand liegt, fällt dadurch bei einem Werbekunden eventuell auch „schwerer ins Gewicht“, löst Emotionen aus und bleibt im Gedächtnis.


2. Printprodukte erzeugen Aufmerksamkeit

In einer immer digitalen, vernetzten und globaler werdenden Welt, welche in schnellen Zyklen immer neue Kommunikationswege entwickelt, ist die Vielzahl an Informationen und Botschaften, die an Individuen herangetragen werden, häufig überwältigend. Der Wahrnehmungsapparat der Menschen verfügt jedoch nicht über unbegrenzte Kapazitäten. Es ist nicht möglich, jeden Bit an Information bewusst wahrzunehmen, zu verarbeiten und abzuspeichern. Mittels selektiver Wahrnehmung, erhalten nur eine Kleinzahl aller Informationen die bewusste Aufmerksamkeit und werden wahrgenommen. Unter Produkten besteht also ein harter Wettkampf um die wertvolle Aufmerksamkeit von Konsumenten. Um wahrgenommen zu werden, muss eine Sache salient sein. Salienz beschreibt die Eigenschaft bestimmter Reize, Aufmerksamkeit durch Auffälligkeit anzuziehen.


Aber wie kann ein Reiz in Form eines Produkts auffallen? Das ist insbesondere in einer Zeit schwierig, in welcher Menschen geradezu von Reizen überflutet werden. Fachleute gehen davon aus, dass der durchschnittliche Konsument täglich mit 10.000-15.000 Werbereizen überflutet wird. Und davon sind ein Großteil digitaler Natur.

Neben tausenden Social Media Ads und Werbeclips kann hier ein physischer Reiz wie ein Printmedium alleine durch die andere Darreichungsform auffallen. Somit erhält er eine höhere Aufmerksamkeit und geht eventuell nicht so schnell übersättigenden Reizflut unter wie seine digitalen Äquivalenten.

3. Printprodukte besitzt man

Der Mensch liebt es, Dinge zu besitzen. Das zeigt die Alltagspraktik, aber auch die Wissenschaft. Aber wie kommt es zu dem Gefühl, etwas zu besitzen? Unterschiedliche Studien aus der Psychologie und Neurowissenschaft liefern hierzu verblüffende Erkenntnisse. Das Berühren von Gegenständen führt dazu, dass ein Besitzgefühl entwickelt wird. Dieses scheint auch mit der Länge der Berührung zu steigen. Und aus diesem Gefühl des Besitzes resultiert letztendlich eine gesteigerte wahrgenommene Wertigkeit eines Gegenstands. Dieser Effekt ist in der Wissenschaft als der Endowment Effekt bekannt und geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler zurück.

Mit dieser Kenntnis ist es leicht zu verstehen, warum es vielen Menschen schwer fällt, sich von manchen Dingen zu trennen. Ein gedrucktes, hochwertig gebundenes Buch zu entsorgen, fällt schwerer, als eine PDF zu löschen. Ebenso wird ein aufwendig aufbereiteter Katalog nicht so leichtfertig beseitigt, wie ein Werbebanner auf einer Website weggeklickt wird.


Der Besitzaspekt physischer Produkte hat noch eine weitere Folge. Diese ist eher sozialpsychologischer Natur: Menschen nutzen Gegenstände häufig zur Manifestierung ihres Selbstkonzepts und zeigen anderen gerne, was sie haben.

Das führt unter anderem dazu, dass Bücher demonstrativ in Regalen präsentiert werden und fern ihrer eigentlichen Funktion, ein wichtiger Bestandteil der Einrichtung werden.


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Key Learnings

Printmedien haben weiterhin große Relevanz. Ihre Wirkweise basiert auf unterschiedlichen psychologischen Aspekten:


  • Ihre Haptik unterstützt die multisensorische Wahrnehmung, erzeugt so Emotionen und bleibt im Gedächtnis.

  • Sie fallen in einer Welt voller digitaler Reize auf und erzeugen somit Aufmerksamkeit

  • Menschen entwickeln ein Gefühl des Besitzes, bei Dingen, die sie anfassen können. Diesen Dingen wird eine hohe Wertigkeit beigemessen.


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